Garnisonkirche (Berlin)

Zweite Garnisonkirche, um 1736

Die Garnisonkirche (auch Alte Garnisonkirche genannt) in Berlin war eine evangelische Kirche für die Soldaten der dortigen Garnison in Berlin-Mitte. Die Ruine des im Zweiten Weltkrieg ausgebrannten Bauwerks wurde 1962 beseitigt.

Der Sakralbau stand auf dem Areal des heutigen Litfaß-Platzes, der seinen Namen im Januar 2011 im Zusammenhang mit der Bebauung des Hackeschen Quartiers südlich des S-Bahnhofs Hackescher Markt erhielt. Der nordwestlich anschließende Garnisonkirchplatz entstand bereits im August 1999. Zu DDR-Zeiten befand sich auf den abgeräumten Flächen hinter dem damaligen S-Bahnhof Marx-Engels-Platz (seit 1992: Bahnhof Hackescher Markt) ein Sportplatz.

Kirchbauten

Erstes Kirchengebäude 1701 bis 1720

1701–1703 wurde die erste Garnisonkirche in Brandenburg unter König Friedrich I. durch den Baumeister Martin Grünberg gebaut. Die Explosion des Pulverturms am 12. August 1720 zerstörte sie.

Zweites Kirchengebäude 1720 bis 1962

Der zweite Kirchbau folgte 1720–1722 durch den Baumeister Johann Philipp Gerlach. Nun erhielt er keinen Turm mehr, nicht einmal einen Dachreiter. Diese schlichte Erscheinung entsprach dem calvinistischen Herrschaftsverständnis König Friedrich Wilhelms I. Die Kirche wurde in der Folgezeit mehrfach umgebaut und an die Bedürfnisse ihrer Nutzer und der jeweiligen Zeit angepasst, so 1863 von August Stüler. 1873 bettete man 555 Särge aus den Grabgewölben der Kirche um. Die Bergung und Öffnung der Särge hielt Adolph Menzel in einer Serie von Bleistiftzeichnungen mit Leichenporträts fest.

Querschnitt nach dem Umbau Stülers 1863
Wiederaufgebaute Garnisonkirche (rechts), 1910

Nach einer Neugestaltung des Inneren in den Jahren 1899–1900 brannte die Kirche am 13. April 1908 komplett aus. Ursache für die Brandkatastrophe war der defekte überhitzte Motor einer Orgel. Die Wiederherstellung der 2700 Menschen fassenden Kirche erfolgte bis August 1909.

Im Zweiten Weltkrieg brannte das Gotteshaus bei dem alliierten Luftangriff vom 23. November 1943 nach einem Bombentreffer vollständig aus. Nach dem Krieg wurden die unzerstörten Grüfte mehrfach geplündert. Die Überreste der dort beigesetzten etwa 200 Personen wurden 1949 in 47 Särgen zusammengefasst und in ein Gemeinschaftsgrab auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf im Block Epiphanien, Feld 1a umgebettet. Die Kirchenruine, von der die Außenmauern bis zur Traufhöhe stehengeblieben waren, wurde 1962 abgerissen.

Erhalten ist das Predigerhaus (Frommel-Haus) in der Anna-Louisa-Karsch-Straße (damals: Neue Friedrichstraße) und der Alte Garnisonfriedhof.

Berühmtheit erlangte das in goldenen Buchstaben angebrachte Motto über dem Eingangsportal von 1720: Ein Adler mit NON SOLI CEDIT (lateinisch: Er weicht der Sonne nicht) – der preußische Adler weicht dem Machtanspruch des Sonnenkönigs (Ludwig XIV. von Frankreich) nicht.

Ausstattung

Glocken

Im Kirchengebäude befand sich unter anderem eine Glockenstube mit quadratischem Grundriss (Innenseitenlänge 4,30 m). Diese beherbergte ein zweistimmiges Geläut aus Gussstahl-Glocken, die im Bochumer Verein in den 1890er Jahren gegossen worden waren. Eine Inventarliste der Gießerei enthält folgende Angaben: das Ensemble aus Glocken mit Klöppel, Lager, Achsen und Läutehebel kostete in der Herstellung 2.525 Mark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 21.000 Euro).[1]

Glockenplan
Größe Schlag­ton Gewicht
(kg)
Unterer
Durch­messer
(mm)
Höhe
(mm)
Inschrift
größte e 1124 1387 1225 unbekannt
kleinste g 0699 1170 1040 unbekannt
Orgel der Garnisonkirche, 1737

Im Kirchenschiff

Eine Apsis mit hohen Bildfenstern, ein Hochaltar, eine Kanzel sowie eine monumentale Säulenreihe, die das Kreuzrippengewölbe des Hauptschiffes trug, zeichneten den Kirchenraum aus. In den Seitenschiffen befanden sich Logen, über denen Seitengalereien angeordnet waren.[2] Der erste Bau enthielt keine Orgel.

Orgeln

Der zweite Kirchbau erhielt 1724 bis 1726 eine Orgel des Orgelbauers Joachim Wagner. Sie besaß folgende Disposition:

Disposition 1726
I Seitenwerk CD–c3
Quintadena 16′
Principal 08′
Gedact 08′
Salicional 08′
Octava 04′
Fugara 04′
Quinta 03′
Octav 02′
Waldflöte 02′
Sifflöt 01′
Scharff V 0112
Cimbel III 01′
Trompet I–II 08′
II Mittel-Clavier CD–c3
Bordun 16′
Principal 08′
Rohrflöt 08′
Viol di gamb 08′
Octava 04′
Traversiere 04′
Spitzfloet 04′
Quinta 03′
Octav 02′
Cornett V (ab c1)
Scharff VI 0112
Mixtur IV 01′
Fagott 16′
III Oberwerk CD–c3
Gedact 8′
Quintadena 8′
Principal 4′
Rohrfloet 4′
Nassat 3′
Octav 2′
Flageolet 2′
Tertia 135
Quinta 112
Cimbel IV 1′
Vox humana 8′
Pedal CD–d1
Principal 16′
Violon 16′
Octava 08′
Gemshorn 08′
Quinta 06′
Octav 04′
Nachthorn 04′
Quinta 03′
Mixtur VIII 02′
Posaun 32′
Posaun 16′
Trompet 08′
Cleron 04′
  • Koppeln: 2 Manualschiebekoppeln.
  • Spielhilfen: Tremulant; Schwebung zur Vox Humana; Sonnenzug; Zug zu den Paucken-Clavieren; 4 Sperrventile; 4 Züge zu den Engeln, Trompeten und Adlern.

Eine zweite Orgel entstand 1892/93 durch Wilhelm Sauer. Mit 70 Registern auf drei Manualen war sie zum damaligen Zeitpunkt die größte Orgel Berlins und die zweitgrößte von Sauer bis dahin gebaute. Die Traktur war rein pneumatisch. Besonders hervorgehoben wurde die Crescendowalze, die frei einstellbar war: Am oberen Rande des Spieltisches befanden sich 70 den jeweiligen Registern entsprechende Registerknöpfe. Bei Betätigung der Crescendowalze konnten hierdurch gezielt Register abgestellt werden.[3] Die Orgel hatte folgende Disposition:[4]

Disposition 1892
I Manual C–f3
1. Prinzipal 16′
2. Bordun 16′
3. Prinzipal 08′
4. Doppelflöte 08′
5. Flûte harmonique 08′
6. Viola di Gamba 08′
7. Gedackt 08′
8. Gemshorn 08′
9. Quintatön 08′
10. Octave 04′
11. Rohrflöte 04′
12. Spitzflöte 04′
13. Rauschquinte 0222
14. Septime und Terz 0227′ + 315
15. Mixtur III 02′
16. Scharf V 0223
17. Cornett III–IV 04′
18. Bombarde 16′
19. Trompete 08′
20. Clarine 04′
II Manual C–f3
21. Salicional 16′
22. Bordun 16′
23. Prinzipal 08′
24. Rohrflöte 08′
25. Salicional 08′
26. Traversflöte 08′
27. Dulciana 08′
28. Octave 04′
29. Gemshorn 04′
30. Flauto dolce 04′
31. Piccolo 02′
32. Rauschquinte 0223
33. Mixtur III 02′
34. Cornett IV 04′
35. Fagott 16′
36. Clarinette 08′
III Schwellwerk C–f3
37. Geigenprinzipal 16′
38. Liebl. Gedackt 16′
39. Prinzipal 08′
40. Spitzflöte 08′
41. Liebl. Gedackt 08′
42. Konzertflöte 08′
43. Viola di Gamba 08′
44. Aeoline 08′
45. Voix céleste 08′
46. Prästant 04′
47. Traversflöte 04′
48. Viola 04′
49. Nasard 0223
50. Flautino 02′
51. Mixtur IV 02′
52. Trompete 08′
53. Oboe 08′
Pedal C–d1
54. Contrabass 32′
55. Prinzipal 16′
56. Violon 16′
57. Subbass 16′
58. Liebl. Gedackt 16′
59. Quintbass 1023
60. Octavbass 08′
61. Violoncello 08′
62. Bassflöte 08′
63. Dulciana 08′
64. Quinte 0513
65. Octave 04′
66. Terz 0315
67. Contraposaune 32′
68. Posaune 16′
69. Trompete 08′
70. Clarine 04′
  • Koppeln: II/I; III/I; III/II; I/P; II/P; III/P.
  • Spielhilfen: Mezzoforte; Forte; Tutti; Rohrwerke; Gamben Stimmen; Flöten Stimmen.

Die nach der Brandkatastrophe 1901 wiedererrichtete Orgel orientierte sich stark an der Disposition von 1892. Die neue Orgel war wie folgt disponiert:[5]

Disposition 1892
I Manual C–f3
1. Prinzipal 16′
2. Bordun 16′
4. Prinzipal 08′
5. Doppelflöte 08′
6. Viola di Gamba 08′
7. Flûte harmonique 08′
8. Gedackt 08′
9. Gemshorn 08′
10. Quintatön 08′
12. Octave 04′
13. Rohrflöte 04′
14. Spitzflöte 04′
16. Oktave 02′
17. Rauschquinte 0222
18. Mixtur III
19. Scharf V
20. Cornett III–IV 04′
3. Bombarde 16′
11. Trompete 08′
15. Clarine 04′
II Manual C–f3
21. Geigenprinzipal 16′
22. Bordun 16′
23. Prinzipal 08′
24. Rohrflöte 08′
25. Salicional 08′
26. Traversflöte 08′
27. Viola d’amour 08′
30. Octave 04′
31. Gemshorn 04′
32. Flauto dolce 04′
33. Piccolo 02′
34. Rauschquinte 0223
35. Mixtur III 02′
36. Cornett IV 04′
28. Tuba 08′
29. Englischhorn 08′
III Schwellwerk C–f3
37. Lieblich Gedackt 16′
38. Prinzipal 08′
39. Spitzflöte 08′
40. Liebl. Gedackt 08′
41. Konzertflöte 08′
42. Schalmei 08′
43. Aeoline 08′
44. Himmelsstimme 08′
45. Quintatön 08′
47. Traversflöte 04′
48. Viola 04′
49. Prästant 04′
50. Nasard 0223
51. Flautino 02′
52. Mixtur IV 02′
46. Trompete 08′
Pedal C–d1
54. Kontrabass 32′
55. Prinzipal 16′
56. Violon 16′
57. Subbass 16′
58. Lieblich Gedackt 16′
60. Quintbass 1023
61. Octavbass 08′
62. Violoncello 08′
63. Bassflöte 08′
64. Dulciana 08′
66. Quinte 0513
67. Octave 04′
69. Terz 0315
70. Groß=Cymbale III
53. Kontraposaune 32′
59. Posaune 16′
65. Trompete 08′
68. Clarine 04′
  • Koppeln: II/I; III/I; III/II; I/P; II/P; III/P.
  • Spielhilfen: Mezzoforte, Forte und Fortissimo für je I., II. und III. Manual; Pianissimo, Piano, Mezzoforte, Forte und Fortissimo für das Pedal; Tutti; Rohrwerke; Rollschweller für das ganze Werk; Piano=Pedal mit Auslösung; Druckknopf für das musikalische Beiwerk.

Berliner Garnisonsprediger an der Alten Garnisonkirche

Überreste der Garnisonkirche

Adolph Menzel: Gruft unter der Garnisonkirche in Berlin, 1873; Bleistift, 23,8 ×33,2 cm. Berlin, Kupferstichkabinett

1998 wurden bei Tiefbauarbeiten Reste der nordöstlichen Ecke der Umfassungsmauer und Wände der Gruftanlage gefunden. Dabei wurde auch die Altarplatte der Kirche geborgen. Die Fundamentreste stehen heute unter Denkmalschutz.[10]

Weitere Berliner Garnisonkirchen

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden für das stark vergrößerte Heer gebaut:

Siehe auch

  • Kirchensprengungen in der SBZ und in der DDR

Literatur

Kirchengebäude

  • Förderverein (Hrsg.): Der Alte Berliner Garnisonfriedhof. Haude & Spener, Berlin 1995. 
  • Barbara Kündiger, Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche. Quintessenz, Berlin 2004. 

Orgel

  • Johann Friedrich Walther: Die, In der Königl. Garnison-Kirche zu Berlin, befindliche Neue Orgel, Wie selbige, Nach ihrer äussern und innern Beschaffenheit erbauet, Mit wenigem beschrieben, Und Nebst einer kurtzen Vorrede, Vom Gebrauch, Kunst und Vortreflichkeit der Orgeln, zum Druck übergeben. Berlin 1726 (walcker-stiftung.de [PDF; 147 kB]). 
  • Heinrich Reimann: Die neue Orgel in der Berliner Garnison=Kirche. In: Urania. Band 49, Nr. 8, 1892, S. 57 f. 
Commons: Garnisonkirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Eintrag zu Garnisonkirche (Berlin) (Obj.-Dok.-Nr. 09010024) in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen, Denkmaldatenbank, Hrsg. Landesdenkmalamt Berlin.
  • Kathrin Chod, Herbert Schwenk, Hainer Weisspflug: Garnisonkirche. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Mitte. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2003, ISBN 3-89542-111-1 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009).  Abruf am 16. Februar 2024.
  • Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof
  • Holger Zürch: Sonntagskirche № 78: Die verlorene Garnisonkirche Berlin. In: Leipziger Internet Zeitung. 14. Mai 2023, abgerufen am 16. Februar 2024. 

Einzelnachweise

  1. Zusammenstellung der nach Berlin und Umgegend gelieferten Geläute; Bochumer Verein, um 1900. Im Archiv der Köpenicker Kirche St. Josef; eingesehen am 6. August 2019.
  2. Ansichtskarte vom Inneren der Garnisonkirche in der Neuen Friedrichstraße. oldthing.de; abgerufen am 9. August 2019,
  3. Heinrich Reimann: Die neue Orgel in der Berliner Garnison=Kirche. In: Urania. Band 49, Nr. 8, 1892, S. 57 f. 
  4. Vier neue Orgelwerke von dem Königl. preuß. Hoforgelbauer und akademischen Künstler Wilhelm Sauer in Frankfurt a./O. In: Urania. Band 49, Nr. 1, 1892, S. 4. 
  5. Des Königl. Preußischen Hof-Orgelbaumeister Wilhelm Sauer in Frankfurt a. O. neuere Thätigkeit. In: Urania. Band 58, 1901, S. 44. 
  6. a b Kathrin Chod, Herbert Schwenk, Hainer Weisspflug: Garnisonkirche. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Mitte. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2003, ISBN 3-89542-111-1 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009). 
  7. a b Berlinische Garnisonkirche mit Garnisonschule., in: berlinintensiv; Stand 25. Dezember 2012.
  8. a b Barbara Kündiger, Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche in der märkischen Landschaft, Berliner Edition in der Quintessenz Verlags GmbH, Berlin 2004, ISBN 3-8148-0128-8.
  9. Alter Garnisonfriedhof Berlin, Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof e. V. Berlin 2024, ISBN 3-8148-0128-8.
  10. Eintrag 09010024 in der Berliner Landesdenkmalliste

52.52182222222213.403497222222Koordinaten: 52° 31′ 18,6″ N, 13° 24′ 12,6″ O