Nirim (Kibbuz)

Nirim
Nirim
Basisdaten
hebräisch: בְּאֵר אוֹרָה
Staat: Israel Israel
Bezirk: Süd
Gegründet: 1946
Koordinaten: 31° 20′ N, 34° 24′ O31.334934.395897222222109Koordinaten: 31° 20′ 6″ N, 34° 23′ 45″ O
Höhe: 109 m
Fläche: 22,00 km²
 
Einwohner: 363 (Stand: 2018)[1]
Bevölkerungsdichte: 17 Einwohner je km²
 
Gemeindecode: 0602
Zeitzone: UTC+2
 
Website:
www.nirim.co.il
Nirim (Israel)
Nirim (Israel)
Nirim

Nirim (hebräisch נִירִים Nīrīm, deutsch ‚Neubrüche, neu gebrochene Ländereien‘) ist ein Kibbuz im nordwestlichen Negev in Israel. Er liegt nahe der Grenze zum Gazastreifen, etwa sieben Kilometer östlich von Chan Yunis, und fällt unter die Verwaltung der Regionalverwaltung Eschkol.[2] Der Kibbuz hat eine Fläche von 22 km² und hatte 2018 eine Bevölkerung von 363 Menschen.[3]

Geschichte

Soldaten nach der Schlacht von Nirim

Der Kibbuz wurde im Juni 1946 im Rahmen des Elf-Punkte-Plans zur Erschaffung einer jüdischen Präsenz in der Negev gebildet mit dem Ziel, ihn später als Teil eines zukünftigen Staates Israel zu beanspruchen.[4] Der Name stammt von der Nir Brigade der Jugendbewegung Hashomer Hatzair. Einige Mitglieder dieser Brigade halfen bei der Errichtung des Kibbuz, der anfangs an einem Ort gegründet wurde, der unter dem Namen „Dangour“ oder „Alt-Nirim“ bekannt ist.[2]

Gedenktafel an die Schlacht von Nirim[Anm 1]

Im Zuge des Ausbruchs des Krieges um Israels Unabhängigkeit am 15. Mai 1948, dem Tag nach der Israelischen Unabhängigkeitserklärung, war der Kibbuz die erste jüdische Ortschaft, die von den ägyptischen Streitkräften, in der Schlacht von Nirim[4], angegriffen wurde. Die Familie von Salman Abu Sitta wurde gewaltsam aus dem Gebiet vertrieben und ihr Land, das damals als „Ma’in Abu Sitta“ bekannt war, wurde anschließend zur Erweiterung des Kibbuz genutzt.[5]

Im Laufe der Schlacht näherten sich die ägyptischen Streitkräfte Nirim bis auf 25 Meter, bevor sie von den nur 39 Kämpfern, die den Kibbuz verteidigten, zurückgeschlagen wurden. Acht der 39 Kämpfer wurden während der Schlacht getötet und alle Häuser Nirims zerstört.[4]

Karte
Heutiges Nirim (A) und Nir Jizchaq am ehemaligen Nirim-Standort, dem IDF-Außenposten (B). Die grauen Striche markieren die Grüne Linie zum Gazastreifen und die Grenze zu Ägypten.

Die Bewohner des Kibbuz verließen Anfang 1949 ihre Siedlung und gründeten ihn unter Beibehaltung des alten Namens nahe der historischen Synagoge bei Chorvot Maʿon neu, wo er seither besteht. Der alte Ort wurde von den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) unter Beibehaltung des Namens als grenznaher Außenposten belegt. Dort vergewaltigten am 12. August 1949, am Vorabend des Schabbat, Dutzenden von Soldaten nach einer Abstimmung, die mit Mehrheit angenommen wurde, ein beduinisch-palästinensisches Mädchen. Nach der Gruppenvergewaltigung wurde die Jugendliche ermordet und im Sand verscharrt. Ihr Name und ihr Alter sind weiterhin unbekannt. Dieses Verbrechen blieb mit dem Namen Nirim verbunden, war aber kaum mehr als ein Gerücht im Militär und der Regierung und ein kurzer Eintrag in David Ben-Gurions Tagebuch, dem Premierminister des israelischen Staates.[6] 54 Jahre später durch einen Artikel in der Zeitung Haaretz[7] aufgedeckt, verarbeitete die palästinensische Autorin Adania Shibli in dem Roman Eine Nebensache das Kriegsverbrechen.[8] Der Historiker Benny Morris fand bei seinen Recherchen in den Militärarchiven, dass es viele Fälle von Vergewaltigung gab, die in der Regel mit Mord endeten. Nadera Shalhoub-Kevorkian, Professorin für Recht an der Hebräische Universität Jerusalem und Forscherin über militärische Gewalt gegen Frauen in Konfliktgebieten, erklärte, Vergewaltigung palästinensischer Frauen sei während des arabisch-israelischen Krieges von 1948 als militärische Taktik eingesetzt worden.[9]

Hauptartikel: Nirim (IDF-Außenposten)

An dem von den IDF aufgegebenen Außenposten wurde am 8. Dezember 1949 der Kibbuz Dangor gegründet, der sich 1953 den Namen Nir Jizchaq gab.[Anm 2] Dangor war die ursprüngliche Bezeichnung jenes Ortes, an dem sich der erste Kibbuz Nirim befand und in dessen Nachfolge der IDF-Außenposten.

In Nirim wurden nach der Spaltung der Arbeiterpartei Mapam im Jahr 1952 alle Anhänger Mosche Snehs des Kibbuz verwiesen. Bis 1956 war Nirim ständiges Ziel von Angriffen der palästinensische Fedajin-Kämpfer aus dem Gazastreifen.[2]

Seit 2000 wurde Nirim erneut Ziel von Kassam-Raketen aus dem Gazastreifen. Seit 2007 zählt Nirim zum „Gaza Envelope“, dem Grenzgebiet entlang der Grünen Linie mit zahlreichen Einschlägen aus dem Gazastreifen, das Israels besonderer steuerlicher Förderung unterliegt. Mit Beginn der Operation Gegossenes Blei im Januar 2009 wurden die meisten Bewohner Nirims, gemeinsam mit denen anderer Dörfer nahe dem Gazastreifen, evakuiert. Viele der evakuierten Familien wurden bis zum Ende der Kampfhandlungen im Kibbuz Mischmar haEmek in der Jesreelebene untergebracht.[4]

Am 7. Oktober 2023 überfielen Angehörige der Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen aus dem Gazastreifen[10] mehrere Kibbuzim in der Nähe des Gazastreifens, tötetem mehr als Tausend Israelis – darunter auch in Nirim, Ein HaSchlosha und Nir Yitzhak – und verschleppten über 200 Geiseln in den Gazastreifen.[11][12]

Landwirtschaft

Der Kibbuz Nirim produziert ökologische Erdnüsse, Süßkartoffeln, Weißrüben, Karotten und anderes Gemüse und exportiert dieses nach Europa. Das bestellte Land reicht bis zur Sperranlage um den Gazastreifen.[4] Nach dem israelischen Rückzug aus Gaza 2005 entschied das israelische Verteidigungsministerium, einen Sicherheitsstreifen um die Sperranlagen zu bauen, der durch von Nirim landwirtschaftlich genutztes Gebiet verlief. Nirim musste dafür eine Million NIS aus seinem Entschädigungsfonds beisteuern.[13]

Literatur

  • Adania Shibli: Eine Nebensache. Berenberg Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-949203-21-3.
Commons: Nirim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Nirim memorial – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Offizielle Webpräsenz
  • RE-EXPOSED: A horrific story of Israeli rape and murder in 1949, Al Arabiya News, 17. August 2015.
  • Es wurde entschieden – sie wurde gebadet, ihr Haar wurde geschnitten, sie wurde vergewaltigt und getötet (aus dem Tagebuch von David Ben-Gurion, 22.8.49), Ha'aretz, 28. Oktober 2005. Der auf Hebräisch erschienene Artikel des Autors Aviv Lavi trägt keine eigentliche Überschrift, sondern ihm ist dieses David Ben-Gurion-Zitat vorangestellt. Ansonsten ist der Artikel nahezu völlig identisch mit einem bereits 2003 erschienen Ha'aretz-Artikel, an dem neben Moshe Gorali ebenfalls Aviv Lavi als Autor beteiligt war:
    • 'I Saw Fit to Remove Her From the World', Haaretz, 29. Oktober 2003.
  • Für eine auf dem Ha'aretz-Artikel aus 2003 basierende Übersetzung ins Deutsche (siehe: Cafe Tel Aviv: Vergewaltigungen durch Soldaten, 20. Mai 2018.)

Anmerkungen

  1. Die englischsprachige Inschrift lautet:
    Das Nirim-Denkmal (Dangur).
    In Erinnerung an den heldenhaften Widerstand einer Handvoll Kibbuz-Nirim-Mitglieder, die ohne Hilfe die einfallende ägyptische Armee zurückschlugen, am 15. Mai 1948. 5. Ijjar, Tag der Unabhängigkeitserklärung Israels.
    Die Verteidiger von Dangur zahlten einen hohen Preis: Acht Mitglieder wurden getötet und weitere verletzt. Trotz der überlegenen ägyptischen Streitkräfte und Waffen konnten sie die Angreifer erfolgreich abwehren. Die Schlacht von Dangur wurde zum Symbol für den erfolgreichen [Wider-]Stand der Wenigen gegen die Vielen.
    Nach dem Unabhängigkeitskrieg wurde der Kibbuz Nirim wieder aufgebaut, fünfzehn Kilometer nördlich, an der Grenze zum Gazastreifen.
  2. Siehe: he:נירים. Die dort genannten beiden Quellen ließen sich nicht verifizieren.

Einzelnachweise

  1. אוכלוסייה ביישובים 2018 (XLSX; 130 kB) [Bevölkerung der Siedlungen 2018]. Israel Central Bureau of Statistics, 25. August 2019, abgerufen am 11. Mai 2020. 
  2. a b c Yuval Elʿazari (Hrsg.): Mapa’s concise gazetteer of Israel. Mapa Publishing, Tel-Aviv 2005, ISBN 965-7184-34-7, S. 372. 
  3. אוכלוסייה ביישובים 2018 (XLSX; 130 kB) [Bevölkerung der Siedlungen 2018]. Israel Central Bureau of Statistics, 25. August 2019, abgerufen am 11. Mai 2020. 
  4. a b c d e Lydia Aisenberg: Feeling Gaza. In: The Jerusalem Post. 16. April 2009, abgerufen am 25. Oktober 2023. 
  5. Uri Davis: In Search of the Abu Sitta sword, Left Curve 32/2008
  6. Israel learns of a hidden shame in its early years, The Guardian, 4. November 2003
  7. 'I Saw Fit to Remove Her From the World'. In: Haaretz. 29. Oktober 2003, archiviert vom Original; abgerufen am 24. Juli 2024. 
  8. Adania Shibli: Eine Nebensache, Berlin: Berenberg Verlag, 2022, ISBN 978-3-949203-21-3.
  9. RE-EXPOSED: A horrific story of Israeli rape and murder in 1949, Al Arabiya News, 17. August 2015
  10. Top Hamas commander who led Nirim attack killed in Israeli airstrike, firstpost.com, 15. Oktober 2023.
  11. Herrmann Kuhn; Widu Wittekindt: Die Kibbuzim bei Gaza nach dem Überfall der Hamas. Interview mit Dr. Ruth Eitan, in: Deutsch–Isaraelische Gesellschaft Bremen/Unterweser (Hrsg.): Der Kibbuz. Israels einzigartige Erfindung, Bremen 2024, S. 35–40, S. 35 (Tabelle der Opferzahlen der überfallenen Kibbuzim nach den Angaben der Regionalverwaltung Eschkol)
  12. Taken captive: Extended family of five from Kibbutz Nir Yitzhak, The Times of Israel, 19. Oktober 2023
  13. Anat Barshkovsky: Kibbuz: No deal reached for using our land. In: Ynetnews. 11. September 2005, abgerufen am 1. September 2010.