Der Satz von Wiener-Ikehara (manchmal auch Taubersatz von Wiener-Ikehara) ist ein mathematischer Satz, der besonders in der analytischen Zahlentheorie Anwendung findet. Unter gewissen Voraussetzungen macht er Aussagen über das asymptotische Verhalten zahlentheoretischer Funktionen. Er ist nach Norbert Wiener und Shikao Ikehara benannt und wird zu den Tauber-Theoremen gezählt.
Aussage
Es sei
auf der Halbebene
gegeben durch die Dirichletreihe
![{\displaystyle f(s)=\sum _{n=1}^{\infty }{\frac {a_{n}}{n^{s}}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/2a66924286bc0d4d7daaa5472b990b177f642255)
wobei
für alle
. Ferner besitze die Funktion
![{\displaystyle g(s)=f(s)-{\frac {A}{s-1}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/166fd4d78e866a1594da44b3fd7f2a257631a19c)
für ein
eine stetige Fortsetzung auf die geschlossene Halbebene
. Dann gilt bereits
.
Version für Integrale
Es sei
eine reellwertige Funktion, welche folgende Eigenschaften erfülle:
- sie ist monoton steigend,
- sie verschwindet für alle Werte
, - sie ist rechtsstetig.
Weiter existiere die Mellin-Stieltjes-Transformierte
![{\displaystyle f(z)=z\int _{1}^{\infty }v(x)x^{-z-1}\mathrm {d} x}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/4230b53fe3f6d7fd19fd79e5b2cd386073dd7920)
für alle Werte
. Gibt es nun ein
, so dass sich die Funktion
![{\displaystyle g(z)=f(z)-{\frac {A}{z-1}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d2a77dd38248c1671fc39bae2a0d60d3543561ce)
stetig auf die halbebene
fortsetzen lässt, so gilt bereits
.
Beispiel
Ein einfaches Beispiel liefert die Riemannsche Zetafunktion
, welche auf der Halbebene
durch die Standard-Dirichletreihe
![{\displaystyle \zeta (s)=1+{\frac {1}{2^{s}}}+{\frac {1}{3^{s}}}+{\frac {1}{4^{s}}}+\cdots }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b7c8f332052e0b7e91094de2a4d5c25ec3fa0067)
gegeben ist. Sie kann zu einer auf
holomorphen Funktion fortgesetzt werden und besitzt in
einen Pol erster Ordnung mit Residuum
. Daraus folgt, dass
![{\displaystyle g(s)=\zeta (s)-{\frac {1}{s-1}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/54c13aabe29a402ed6c3e40be80d28865f68f1e9)
eine ganze Funktion ist, also insbesondere von
stetig auf die Halbebene
fortgesetzt werden kann. In der Tat gilt
![{\displaystyle \lim _{N\to \infty }{\frac {1}{N}}\sum _{n=1}^{N}1=\lim _{N\to \infty }{\frac {N}{N}}=1.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/2af37840bfa37ad3b1466fab0db10b3ad3c3d21a)
Anwendung
Mit Hilfe des Taubersatzes von Wiener-Ikehara kann der Primzahlsatz bewiesen werden. Dabei wird der Satz auf die Dirichletreihe der Funktion
angewendet, wobei zunächst gezeigt werden muss, dass die Zetafunktion auf der Geraden
nicht verschwindet. Es folgt
![{\displaystyle {\frac {1}{u}}\sum _{p^{\alpha }\leq u}\log p{\overset {u\to \infty }{\longrightarrow }}1,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d517415bb307c9e7994924fa320951b9730a6a46)
was äquivalent zum Primzahlsatz ist.
Verallgemeinerungen
Im Jahre 1954 konnte Delange den Satz von Wiener-Ikehara deutlich verallgemeinern, nämlich auf Singularitäten gemischten Typs.[1] Es sei
eine Dirichlet-Reihe mit nicht-negativen Koeffizienten, welche auf einer Halbebene
konvergiert. Man nehme an,
lasse sich mit Ausnahme des Punktes
holomorph auf die gesamte Gerade
fortsetzen und dass es sich in einer kleinen Umgebung um
in der Form
![{\displaystyle F(s)={\frac {1}{(s-\sigma )^{w+1}}}\sum _{j=0}^{q}g_{j}(s)\left\{\log \left({\frac {1}{s-\sigma }}\right)\right\}^{j}+g(s),}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5558a01c47e19ddbd94f180098b904491d779168)
schreiben lässt, wobei
eine reelle Zahl und die Funktionen
und
holomorph sind mit
. Dann gilt: ist
keine negative ganze Zahl, so folgt
![{\displaystyle \sum _{n\leq x}a_{n}\sim {\frac {g_{q}(\sigma )}{\sigma \Gamma (w+1)}}x^{\sigma }(\log(x))^{w}(\log(\log(x)))^{q},}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/4c63b874557babecfadbd882b6025f1275aef730)
und ist es eine negative ganze Zahl
und
:
![{\displaystyle \sum _{n\leq x}a_{n}\sim (-1)^{m}m!{\frac {qg_{q}(\sigma )}{\sigma }}{\frac {x^{\sigma }(\log(\log(x)))^{q-1}}{(\log(x))^{m+1}}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/2dccaa1d553c8db9678b58da021418f68e16583d)
Literatur
- Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, ISBN 3-540-21058-X.
- S. Ikehara: An extension of Landau's theorem in the analytic theory of numbers, Journal of Mathematics and Physics of the Massachusetts Institute of Technology, Band 10, 1931, S. 1–12
- Norbert Wiener: Tauberian Theorems, Annals of Mathematics, Second Series, Band 33, 1932, S. 1–100
Einzelnachweise
- ↑ Gérald Tenenbaum: Introduction to analytic and probabilistic number theory, AMS, 1990, S. 350