Postliminale C*-Algebra

Postliminale C*-Algebren bilden eine in der Mathematik betrachtete Klasse von C*-Algebren. Alternative Bezeichnungen, die weiter unten motiviert werden, sind GCR-Algebra oder Typ-I-C*-Algebra. Es handelt sich um eine Verallgemeinerung der Klasse der liminalen C*-Algebren.

Definition

Eine C*-Algebra A {\displaystyle A} heißt postliminal, wenn für jedes echte, abgeschlossene, zweiseitige Ideal I A {\displaystyle I\subset A} die Quotientenalgebra A / I {\displaystyle A/I} ein von { 0 } {\displaystyle \{0\}} verschiedenes liminales Ideal enthält.

Damit ist der Begriff der postliminalen C*-Algebra auf den der liminalen C*-Algebra zurückgeführt und stellt offenbar eine Verallgemeinerung dar. Das wird auch durch die erste der folgenden Charakterisierungen deutlich.

Charakterisierungen

Bilder irreduzibler Darstellungen

Ist π {\displaystyle \pi } eine irreduzible Darstellung der C*-Algebra A {\displaystyle A} auf dem Hilbertraum H {\displaystyle H} , so enthält A / ker ( π ) {\displaystyle A/{\mbox{ker}}(\pi )} nach Definition ein von { 0 } {\displaystyle \{0\}} verschiedenes liminales Ideal. Man kann zeigen, dass durch π ~ ( a + ker ( π ) ) := π ( a ) {\displaystyle {\tilde {\pi }}(a+{\mbox{ker}}(\pi )):=\pi (a)} eine irreduzible Darstellung π ~ {\displaystyle {\tilde {\pi }}} dieses Ideals definiert wird. Da I {\displaystyle I} liminal ist, fällt das Bild π ~ ( I ) {\displaystyle {\tilde {\pi }}(I)} mit der Algebra K ( H ) {\displaystyle K(H)} der kompakten Operatoren zusammen und daraus folgt π ( A ) K ( H ) {\displaystyle \pi (A)\supset K(H)} . Das Bild einer jeden irreduziblen Darstellung umfasst also die kompakten Operatoren und davon gilt sogar die Umkehrung:

  • Eine C*-Algebra A {\displaystyle A} ist genau dann postliminal, wenn π ( A ) K ( H ) {\displaystyle \pi (A)\supset K(H)} für jede irreduzible Darstellung π : A L ( H ) {\displaystyle \pi :A\rightarrow L(H)} von A {\displaystyle A} .

Für liminale C*-Algebren hat man eine fast gleich lautende Charakterisierung, die Inklusion ist lediglich durch eine Gleichheit ersetzt (siehe Artikel liminale C*-Algebra). Da man liminale C*-Algebren wegen dieser Beziehung zu den kompakten Operatoren auch CCR-Algebren nennt (CCR=completely continuous representations), heißen postliminale C*-Algebren aus demselben Grunde auch GCR-Algebren (GCR = generalized completely continuous representations).

Kompositionsreihen

Eine Kompositionsreihe einer C*-Algebra A {\displaystyle A} ist eine Familie ( I β ) 0 β α {\displaystyle (I_{\beta })_{0\leq \beta \leq \alpha }} von abgeschlossenen, zweiseitigen Idealen I β A {\displaystyle I_{\beta }\subset A} , wobei

  1. α {\displaystyle \alpha } ist eine Ordinalzahl ( β {\displaystyle \beta } durchläuft also alle Ordinalzahlen bis α {\displaystyle \alpha } einschließlich.)
  2. I 0 = { 0 } {\displaystyle I_{0}\,=\,\{0\}} und I α = A {\displaystyle I_{\alpha }\,=\,A} .
  3. Für 0 β γ α {\displaystyle 0\leq \beta \leq \gamma \leq \alpha } gilt I β I γ {\displaystyle I_{\beta }\subset I_{\gamma }}
  4. Ist γ [ 0 , α ] {\displaystyle \gamma \in [0,\alpha ]} eine Limeszahl, so ist I γ {\displaystyle I_{\gamma }} der Abschluss von 0 β < γ I β {\displaystyle \bigcup _{0\leq \beta <\gamma }I_{\beta }} .

Mit dieser Begriffsbildung kann man folgende Charakterisierung beweisen:

  • Eine C*-Algebra A {\displaystyle A} ist genau dann postliminal, wenn es eine Kompositionsreihe ( I β ) 0 β α {\displaystyle (I_{\beta })_{0\leq \beta \leq \alpha }} von A {\displaystyle A} gibt, so dass alle Quotienten I β + 1 / I β {\displaystyle I_{\beta +1}/I_{\beta }} liminal sind.

Typ I

Eine Darstellung π : A L ( H ) {\displaystyle \pi :A\rightarrow L(H)} einer C*-Algebra A {\displaystyle A} heißt vom Typ I, falls die vom Bild π ( A ) {\displaystyle \pi (A)} erzeugte Von-Neumann-Algebra vom Typ I ist, das heißt wenn der Bikommutant π ( A ) L ( H ) {\displaystyle \pi (A)''\subset L(H)} eine Typ I Von-Neumann-Algebra ist.

  • Eine C*-Algebra A {\displaystyle A} ist genau dann postliminal, wenn jede Darstellung vom Typ I ist.

Daher nennt man postliminale C*-Algebren auch Typ-I-C*-Algebren. Diese Bezeichnung kann aber zur Verwirrung Anlass geben, denn eine Typ I Von-Neumann-Algebra, die ja auch eine C*-Algebra ist, ist im Allgemeinen keine Typ-I-C*-Algebra, wie das Beispiel A = L ( H ) {\displaystyle A=L(H)} mit unendlich-dimensionalem Hilbertraum H {\displaystyle H} zeigt.

Spektrum

Ist [ π ] {\displaystyle [\pi ]} eine Äquivalenzklasse irreduzibler Darstellungen von A {\displaystyle A} , also ein Element des Spektrums A ^ {\displaystyle {\hat {A}}} , so hängt das Ideal ker ( π ) {\displaystyle {\mbox{ker}}(\pi )} nur von der Äquivalenzklasse [ π ] {\displaystyle [\pi ]} und nicht von der konkreten Darstellung π {\displaystyle \pi } ab. Da die Kerne irreduzibler Darstellungen definitionsgemäß die primitiven Ideale sind, ist die Kernbildung, [ π ] ker ( π ) {\displaystyle [\pi ]\mapsto \ker(\pi )} , eine Abbildung A ^ Prim ( A ) {\displaystyle {\hat {A}}\to {\mbox{Prim}}(A)} vom Spektrum in den Raum der primitiven Ideale. Diese ist nach Konstruktion surjektiv, im Allgemeinen aber nicht injektiv.

  • Ist A {\displaystyle A} eine postliminale C*-Algebra, so ist die Kernabbildung A ^ Prim ( A ) {\displaystyle {\hat {A}}\to {\mbox{Prim}}(A)} injektiv. Ist A {\displaystyle A} separabel, so gilt hiervon die Umkehrung.

Eine mögliche Umkehrung dieser Aussage auch im Falle nicht-separabler C*-Algebren ist offen, jedenfalls wäre sie im Rahmen der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre mit Auswahlaxiom nicht beweisbar, wie die Konsistenz eines Gegenbeispiels zum Naimark-Problem zeigt.[1]

Beispiele

  • Liminale C*-Algebren sind postliminal.
  • Es sei T {\displaystyle T} die vom Shiftoperator s L ( 2 ) {\displaystyle s\in L(\ell ^{2})} erzeugte C*-Algebra, die sogenannte Toeplitz-Algebra (nach Otto Toeplitz). Da 1 s n s n {\displaystyle 1-s^{n}s^{*n}} die Orthogonalprojektion auf den von den Basisvektoren e 1 , e n 2 {\displaystyle e_{1},\ldots e_{n}\in \ell ^{2}} erzeugten Unterraum und damit ein kompakter Operator ist, kann man zeigen, dass K ( H ) T {\displaystyle K(H)\subset T} . Weiter gilt, dass T / K ( H ) C ( S 1 ) {\displaystyle T/K(H)\cong C(S^{1})} , wobei S 1 C {\displaystyle S^{1}\subset \mathbb {C} } die Kreislinie ist, denn T / K ( H ) {\displaystyle T/K(H)} wird von der Restklasse s + K ( H ) {\displaystyle s+K(H)} erzeugt, und diese hat die Kreislinie als Spektrum. Man hat sogar eine exakte Sequenz
{ 0 } K ( H ) T C ( S 1 ) { 0 } {\displaystyle \{0\}\rightarrow K(H)\rightarrow T\rightarrow C(S^{1})\rightarrow \{0\}}

.

Jedenfalls ist durch I 0 := { 0 } , I 1 := K ( H ) , I 2 := T {\displaystyle I_{0}:=\{0\},I_{1}:=K(H),I_{2}:=T} eine Kompositionsreihe von T {\displaystyle T} gegeben, und die Quotienten T / K ( H ) C ( S 1 ) {\displaystyle T/K(H)\cong C(S^{1})} und K ( H ) / { 0 } K ( H ) {\displaystyle K(H)/\{0\}\cong K(H)} sind liminal. Daher ist T postliminal, aber nicht liminal, denn id T : T L ( 2 ) {\displaystyle {\mbox{id}}_{T}:T\rightarrow L(\ell ^{2})} ist eine irreduzible Darstellung, die den nicht-kompakten Operator s {\displaystyle s} im Bild enthält.
  • L ( 2 ) {\displaystyle L(\ell ^{2})} ist ein Beispiel für eine C*-Algebra, die nicht postliminal ist. Die Calkin-Algebra ist ein weiteres Beispiel einer nicht-postliminalen C*-Algebra.

Eigenschaften

  • Eine Unter-C*-Algebra einer postliminalen C*-Algebra ist wieder postliminal.
  • Ist I A {\displaystyle I\subset A} ein abgeschlossenes, zweiseitiges Ideal in der postliminalen C*-Algebra A {\displaystyle A} , so ist auch A / I {\displaystyle A/I} postliminal.
  • Ist I A {\displaystyle I\subset A} ein abgeschlossenes, zweiseitiges Ideal in der C*-Algebra A {\displaystyle A} und sind I {\displaystyle I} und A / I {\displaystyle A/I} postliminal, so ist auch A {\displaystyle A} postliminal.
  • Postliminale C*-Algebren sind nuklear.
  • Ist A {\displaystyle A} postliminal, so besitzt A {\displaystyle A} eine Kompositionsreihe ( I β ) 0 β α {\displaystyle (I_{\beta })_{0\leq \beta \leq \alpha }} , so dass alle Quotienten I β + 1 / I β {\displaystyle I_{\beta +1}/I_{\beta }} C*-Algebren mit stetiger Spur sind. Das verschärft die oben mittels Kompositionsreihen gegebene Charakterisierung.
  • Eine postliminale C*-Algebra A {\displaystyle A} ist genau dann liminal, wenn jeder Punkt in A ^ Prim ( A ) {\displaystyle {\hat {A}}\cong {\mbox{Prim}}(A)} abgeschlossen bzgl. der Zariski-Topologie ist, das heißt wenn das Spektrum A ^ {\displaystyle {\hat {A}}} ein T1-Raum ist.

Quellen

  • W. Arveson: Invitation to C*-algebras, Springer-Verlag (1976), ISBN 0-387-90176-0.
  • J. Dixmier: Les C*-algèbres et leurs représentations, Gauthier-Villars, 1969

Einzelnachweise

  1. Gert K. Pedersen, Søren Eilers, Dorte Olesen: C*-Algebras and Their Automorphism Groups. Academic Press, 2018, ISBN 978-0-12-814122-9, S. 284, 287, Theorem 6.9.9 (englisch).